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AUTOR/IN
Christian Kreutzer
Christian Kreutzer
Leo Eder
Leo Eder
INTERVIEW
Ferdinand Vögele

Allen Protesten zum Trotz hielt eine protestantische Gemeinde in Straßburg an ihrem Kulturprogramm fest: Ein Poledancer trat in ihrer Kirche zu einer italienischen Oper auf.

Viele mögen das gar nicht. Auch Drohungen gab es. Doch Pfarrer Daniel Boessenbacher sagt: „Wenn wir es in Folge von Drohungen absagen würden, würden wir das falsche Signal senden.“ Am Mittwoch um 20 Uhr war die erste von zwei Vorstellungen – und die Polizei war auch vor Ort. Die Kirche hatte sie vorher über die Konzerte und die Drohungen informiert und hoffte auf die abschreckende Wirkung der Beamten.

In der Oper von Giovanni Battista Pergolesi gibt es eine Rolle für einen Stummen. Dieser wird in der Kirche Saint-Guillaume von Ex-Pole-Europameister Vincent Grobelny verkörpert.

Als Jesus an der Pole-Stange – im Altarraum

Es ist bereits das zweite Mal, dass die Gemeinde dem als ebenso erotisch wie athletisch geltenden Poledance eine Bühne bietet. Grobelny war bereits im März an einer vertikalen Metallstange im Altarraum aufgetreten.

Damals interpretierte er die Rolle des Jesus im Werk „Stabat mater“ von Pergolesi, das auch dieses Mal wieder aufgeführt wurde. Innerhalb von zwei Tagen schauten sich mehr als 1.000 Menschen die Aufführung an, es blieben keine Plätze frei.

Pastor erhält Todesdrohungen

Doch zugleich schwoll eine Welle des Protestes an: Boessenbacher erhielt anonyme Todesdrohungen. In einem Schreiben, das unter der Kirchentür durchgeschoben worden war, rief jemand dazu auf, ihm den Kopf abzuschlagen, „weil er den Schlüssel unserer heiligen Kirche an die tanzende Schlange übergeben hat“.

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Nachrichten „Einige Leute glaubten, er würde nackt in der Kirche tanzen“

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Pfarrer Daniel Boessenbacher über die Drohungen bei der ersten Aufführung mit einem Pole-Dancer in der Kirche.

In einer Mail wurde der Pfarrer als „Antichrist“ beschimpft. Boessenbacher reichte inzwischen Klage ein. Er verstehe vollkommen, wenn jemand mit dem Programm nicht einverstanden sei, sagte Boessenbacher. „Aber warum sollte das nicht in einer Kirche gezeigt werden?“, fragt er und verweist darauf, dass das Kirchengebäude im Protestantismus kein sakraler Ort ist wie etwa in der katholischen Kirche. Angst habe er nach den Drohungen nicht gehabt, er sei „mehr erstaunt“ gewesen.

Ich denke, man kann nicht einfach auf Leute hören, die so anonyme Briefe schreiben. Man würde ja nichts mehr tun, wenn man alles macht, was Leute einfach so anonym in einen Brief schreiben.

Auftritt Gobelnys im März:

Vincent Grobelny à St Guillaume, la HSP en PLS ! !! Chapeau l’artiste 🤩 pic.twitter.com/yQuhaQRX8x

Organisator des kirchlichen Poledance-Spektakels: „Jetzt erst recht“

Kirche müsse sich „öffnen“, um das Image des Altertümlichen, Verschlossenen zu überwinden, erklärt Pfarrer Boessenbacher. Sie müsse sich entwickeln, wenn sie den jüngeren Leuten etwas sagen wolle.

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Nachrichten „Die Kirche muss sich entwickeln“

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Pfarrer Daniel Boessenbacher spricht darüber, wieso ein Pole-Dancer in seiner Kirche an der Stange tanzt. Und wie die Kirche für Jüngere wieder attraktiver werden kann.

Auch Cyril Pallaud, Organist und künstlerischer Leiter der Veranstaltung, zeigt sich entschlossen: „Jetzt machen wir erst recht weiter“, sagt er. Ziel sei es, „zu zeigen, dass Kunst zum Nachdenken anregen soll“. Die Gemeinde Saint-Guillaume, die im Straßburger Studierendenviertel Krutenau liegt, ist seit längerem für ihr provokantes Kulturprogramm bekannt. Im vergangenen Jahr war dort ein Kabarett von Drag Queens zu sehen, 2018 wurde der US-Horrorfilm „Der Exorzist“ bei einem Festival gezeigt.

In der Gemeinde können sich außerdem homosexuelle Paare segnen lassen, was die Union der protestantischen Kirchen in Elsass und Lothringen seit 2019 ermöglicht.

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